STADTJUBILÄUM / Eine Ausstellung thematisiert die Lebensumstände der Ulmer
Durch den Alltag der Jahrhunderte
Möglichst viele Menschen sollen Geschichte erleben und in die Zukunft blicken

Südwestpresse, 17. Januar 2004

Den großen Festakt zur 1150-Jahrfeier wird es nicht geben. Stattdessen begeht die Stadt ihr Jubiläum mit einer Ausstellung und einer Reihe damit verknüpfter Aktivitäten, die viele Bürger erreichen sollen - passend zum Thema "Die Stadt und ihre Menschen".

HENNING PETERSHAGEN

In einer Urkunde, besiegelt am 22. Juli 854, tritt der Name "Ulm" in die geschriebene Geschichte ein. Doch werden die Ulmer am 22. Juli 2004 vergeblich auf einen Festakt zur 1150-Jahrfeier warten. Die zu solchen Anlässen fälligen Reden werden, auf das notwendigste Minimum reduziert, zwei Wochen vorher gehalten, wenn das Stadtarchiv auf dem südlichen Münsterplatz seine Ausstellung "Die Stadt und ihre Menschen" eröffnet, die in der Vergangenheit beginnt und in der Zukunft endet.

"Wir wollen dieses Ereignis herausbrechen aus dem Bereich der Elite-Kultur", sagt Dr. Michael Wettengel, der Leiter des Ulmer Stadtarchivs, das die Ausstellung verwirklicht. "Wir wollen möglichst viele Menschen erreichen, und deswegen gehen wir damit dorthin, wo sie sind: auf den südlichen Münsterplatz." Statt teurer Veranstaltungen für ein begrenztes Publikum sollen möglichst viele Menschen für die Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte interessiert werden - und keineswegs nur die alten Ulmer, sondern auch die jungen, quer durch alle hier lebenden Bevölkerungsgruppen.

"Wir wollen alle erreichen, etwa auch türkische Mitbürger oder die hier lebenden Aussiedler", umreißt Dr. Max Stemshorn, der die Ausstellung gestaltet, sein Ziel. Das bedeutet, ein Konzept zu finden, das auch Leute fasziniert, die sonst eher einen Bogen um Museen oder Infotafeln aller Art machen. Es geht, wie er sagt, beim Abbau solcher Schwellenängste darum, mit möglichst wenig Text auszukommen und die Themen so kompakt, komprimiert und einleuchtend wie möglich zu präsentieren.

Dabei sind wiederum die Tücken des Ausstellungsortes zu berücksichtigen: Geschlossene Räume sind zu vermeiden, da sie nicht nur zu Vandalismus, sondern auch zur Erledigung und Befriedigung von Bedürfnissen aller Art verleiten. Dennoch soll es überdachte Stationen geben, in denen Schwerpunktthemen aufbereitet werden, etwa im Abschnitt über das 15. Jahrhundert die damalige Blüte der Kunst und Kultur.

Ein Schatten als Begleiter

Geplant ist ein Gang durch die Stadtgeschichte. Der wird stattfinden auf drei sich überschneidenden Bahnen, für welche leicht erhabene und dennoch behindertengerechte Stege gebaut werden. Der erste führt durch das Mittelalter, der zweite durch die Neuzeit vom 16. bis ins 19. Jahrhundert und der dritte vom 20. Jahrhundert in die Zukunft. In die Zukunft? In der Tat: Der Fachbereich Stadtentwicklung, Bau und Umwelt der Stadt Ulm, einer der zahlreichen Kooperationspartner, wird sich mit künftigen Lebensformen und der Stadtentwicklung auseinandersetzen.

Der Gang durch die Geschichte wird sich weniger an Ereignissen orientieren als vielmehr an den Lebensverhältnissen der jeweiligen Epochen, am Alltag. Dazu werden idealtypische Biografien zusammengestellt, was deswegen notwendig ist, weil sich konkrete Biografien einfacher Menschen, die nicht den oberen Schichten angehört haben, erst spät finden lassen. Aus diesem Grunde wird es ein gesichtsloser Schatten sein, der die Besucher durch die Ausstellung begleitet - wobei zum offenen Konzept natürlich auch gehört, dass überall Quereinstiege möglich sind.

Das Ziel, möglichst viele Menschen in die Auseinandersetzung mit der Ulmer Geschichte einzubinden, verwirklicht sich im Begleitprogramm, an dem zahlreiche Kooperationspartner mitwirken, etwa acht Schulen von der Grundschule bis zum Gymnasium. Sie werden zur Illustration des Lebens vergangener Zeiten beitragen etwa mit einer historischen Modenschau oder der Darstellung einer Lateinschule des 15. Jahrhunderts und ähnlichem. Und das tägliche Brot der Stadtmenschen ist Thema einer Ausstellung des Museums für Brotkultur.

Zum Stadtjubiläum wird es ein Buch geben: den 240-seitigen Begleitband zur Ausstellung. Einige der Autoren werden an den vier März-Donnerstagen im Einsteinhaus über ihre Themen referieren.